Historische Stadtrundgänge durch

Neusalza-Spremberg

08 - Obermarkt 5

Der erste Nachweis des Hauses ist ein Pachtvertrag zwischen Wenzel Stolze und Zacharias Neumann. Wenzel Stolze hatte am 8. Januar 1701 das Neusalzaer Bürgerrecht erhalten.

Er war 34 Jahre alt und gebürtig aus Prag in Böhmen. Mit dem Erwerb des Bürgerrechts war das Eigentum an einem Haus verbunden. Dieses Haus verpachtete Stolze für vier Jahre, von Martini 1704 bis Martini 1708 für den jährlichen Pachtzins von 10 Talern, außerdem war der Pächter verpflichtet, die jährlichen Abgaben: 4 Taler Schutzgeld, 6 Groschen Erbzins, 4 Groschen dem Pfarrer und 2 Groschen dem Schulmeister abzuführen. Der Pachtvertrag war am 16. Januar 1705 ausgefertigt worden. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 2 Fol. 64 ff.]

Wenzel Stolze verkaufte das Bürgerhaus und das Zubehör an Michael Priebs für 140 Taler. Der Kaufvertrag wurde am 22. November 1712 von den Neusalzaer Gerichten ausgestellt.
[Gerichtsbuch Neusalza Nr. 2 Fol. 217 ff.]
Das Neusalzaer Bürgerrecht hatte Michael Priebs, Leinwandhändler aus Eibau, am 23. November 1712 erhalten. Seinen Losbrief hatte er zusammen mit seinem Eheweib Rosina geb. Priebsin und zwei Söhnen, Hans Michael und Hans George vom Zittauer Rat am 16. November 1712 erhalten. Drei weitere Kinder blieben zurück: Johann Christian, Anna Rosina und Marie Elisabeth. [Stadtarchiv Neusalza-Spremberg Nr. 1186]
Am 22. Februar 1713 wurde im Beisein des Bürgermeisters, Stadtrichters, der Ratsverwandten und der Gemeinältesten Herrn Michael Priebsen, hiesigen Bürger und Handelsmann „vergönnet, sein Haus so er mit Gott von Grunde aus ganz neu aufzuführen gesonnen so weit die Lauben vor seinen Hause herausgehen, denen iezigen Säulen und zwar nach proportionirlicher Gleichheit Hr. Johann Zimmers Hauses die Mauer zusezen“. Priebs zahlte für diese Zusicherung der Gemeinde 22 Taler. Darüber wurde eine Registratura erstellt. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 2 Fol. 223 ff.]
Im Türstock des neuerbauten massiven Hauses wurde das Baujahr 1714 eingezeichnet. Vom Grundriss ist es ganz auf die Nutzung als Handelshaus zugeschnitten: mit großer Einfahrt, Lagerräumen und Verkaufsladen.
Es zählte neben dem neuerbauten Rathaus und dem sich gegenüber befindlichen großen Bürgerhaus zu den „drei besten und schönsten“, auch teuersten Häusern der Stadt.
Der überaus große Wert des Hauses ließ es zum Prestige- und Spekulationsobjekt werden. In rascher Folge wechselten die Eigentümer. Der Preis des Hauses schwankte enorm, von extrem hoch bis auffallend gering.

Obermarkt 5
Der Kaufmann Hans Hammer aus Bautzen erwarb das Haus am 5. September 1722 für 1.200 Taler. Der Vertrag wurde am 6. April 1723 ausgestellt. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 2 Fol. 370b ff.]

Am 18. Juni 1727 erwarb der aus Königsbrück stammende Apotheker Johann Heinrich Sperbach das Haus für 410 Taler. In seinem Kaufvertrag wurde gesondert vermerkt, dass er auf seine Kosten die Dachrinnen auf beiden Seiten seines Hauses zu reinigen und zu erhalten habe. Über diesen Passus entstand fortan Streit mit den Nachbarn. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 2 Fol. 427b ff.]
Sperbach vernachlässigte das Haus. Er selbst wandte sich aus Neusalza fort. Nach längeren Verhandlungen mit dem Stadtrat, der den Zwangsverkauf des Hauses forderte, ließ Sperbach am 26. Mai 1739 sein Haus an Frau Johanna Marie Lux, Ehefrau eines Handelsmanns für 270 Taler verkaufen. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 3 Fol. 126 ff.]

Bereits drei Jahre später, am 26. April 1742, kommt das Haus in neue Hände. Für 270 Taler kaufte der Neusalzaer Bürger und Handelsmann Samuel Fuchs das Haus und die Zubehörungen.
[Gerichtsbuch Neusalza Nr. 3 Fol. 174b ff.]

August und Gottlieb Prieber, Handelsherren aus Bautzen erwarben das Bürgerhaus für 950 Taler am 9. März 1761 von Samuel Fuchs. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 3 Fol. 433 ff.]

Das Priebersche Unternehmen geriet in Zahlungsschwierigkeiten und vor den Bautzner Stadtgerichten wurde das Neusalzaer Bürgerhaus am Markt „öffentlich feil geboten“. Den Zuschlag erhielt der aus England gebürtige Handelsmann John Coulston, der sich zu der Zeit überwiegend in Rumburg in Böhmen aufhielt, für 390 Taler. Die Adjudikationsurkunde wurde am 19. Juni 1770 ausgestellt. [Gerichtsbuch Neusalza Nr. 4 Fol. 142 ff.]

„Im Jahre 1776 errichtete der Kaufmann Johann Caulston aus Rumburg in dem Priebs´schen Hause am Obermarkte ein Leinwand-Negotium“. [Geschichtliche Nachrichten über die Stadt Neu-Salza, S. 81] „Lange Jahre belebte diese ansehnliche Handlung den Ort“. [Geschichtliche Nachrichten über die Stadt Neu-Salza, S. 81]

Am 26. Januar 1795 erfolgte der nächste bekannte Eigentümerwechsel. James de Buchan, Kauf- und Handelsherr zu Rumburg, verkaufte das Anwesen für 800 Taler an den Neusalzaer Kauf- und Handelsmann Carl Gottlob Hirsemenzel. [Gerichtsbuch Neusalza No. 5 Fol. 107b ff.]

Hirsemenzels Unternehmen schien ebenfalls nicht so erfolgreich gewesen zu sein wie erwartet. Ernst Ludwig Götze, Kaufmann aus Zittau und Vertreter des Hirsemenzelschen Schuldenwesens verkaufte das Haus mit Zubehörungen am 12. Oktober 1801 an den Ebersbacher Carl Schäfer für 2.800 Taler. [Gerichtsbuch Neusalza No. 5 Fol. 208b ff.]

Nach zwei Jahren hatte Schäfer bereits wieder einen Käufer gefunden. Isaac Osborne war bereit, die horrende Summe von 3.500 Talern zu zahlen. Der Kaufvertrag wurde am 30. November 1803 ausgefertigt. [Gerichtsbuch Neusalza No. 5 Fol. 224b ff.]

„Zu Anfang des 19. Jahrhunderts ist aber in demselben Hause von Osborn und Rowland aus Rumburg eine Woll-Leserei oder Sortirerei eingerichtet worden, welche ebenfalls lange Zeit viele Leute beschäftigt hat.“ [Geschichtliche Nachrichten über die Stadt Neu-Salza, S. 81/82]
Benannter Robert Rowland, Kaufmann aus Georgswalde in Böhmen erkaufte am 12. Dezember 1811 von Isaac Osborn, ebenfalls Kaufmann in Georgswalde, das Haus mit dazu gehörigem Stall, Gärtchen und einigen Stücken Land für 700 Taler. [Gerichtsbuch Neusalza No. 5 Fol. 336 ff.]

Im Gebäudeabschätzungsverzeichnis von 1841 wurde das Grundstück erfaßt:
Am obern Markt. Nr. 9. Robert Rowland.

  • Wohnhaus.
  • Parterre: 1 Laden, 1 Stübchen, 2 Gewölbe, 1 Niederlage, 1 Keller.
  • Etage: 4 Stuben, 2 Kammern, 1 Küche.
  • Bodenraum. 2 Kammern.
  • Holzschuppen mit Stall und Bodenraum.
  • Hintergebäude: 1 Raum mit 1 Stube, 1 Kammer, 2 Stuben, 2 Kammern, Bodenraum.

Am 31. Juli 1855 kaufte der damalige Bürgermeister und Advokat Julius Seubich das Grundstück. 1856 legte Seubich sein Amt nieder.
23. Januar 1856 – Johann Georg Kubke erwarb das Anwesen
6. Dezember 1856 – Der Kürschner Heinrich Herrmann erstand das Grundstück infolge Subhastation (Versteigerung)
1861 – kaufte Heinrich Gustav Alwin Rieschke das Grundstück, 1868 ging er mit seinem Geschäft in Konkurs.

Im Brandkatastereintrag vom 1. Januar 1864 wurde das Haus gelistet:
Nr. 129. Heinrich Gustav Alwin Rieschke, Kaufmann und Hausbesitzer.

  • a) das Wohngebäude mit angebautem Privet. Dachbedeckung weich.
  • b) das Kellergebäude mit Keller und angebautem Kellerhalsüberbau. Dachbedeckung weich.
  • c) das Holzgeräteschuppengebäude. Dachbedeckung weich.

1868 - erwarb Emilie Henriette, verehelicht Walther, geb. Strehle das Grundstück.

Zahlreiche erhaltene Zeitungsannoncen zeugen vom Handel und Wandel im Hause. So unterhielt Rieschke einen „Kolonialwarenhandel“ mit Tabak und Zigarren. Emilie Walther handelte zunächst mit Materialwaren, trockenem Gemüse, „Victualien“, Zigarren und geräucherten Fleischwaren. Später erweitere sie ihr Angebot mit Glas, Wein, Delikatessen, Holz, Brot, ab 1874 auch Bier- und Branntweinschank.
1870 meldete Carl Golbs sein Fotografengewerbe im Hause an.

Obermarkt 5

Am 23. Oktober 1880 erwarb Traugott Leberecht Hünlich (1814 -1882) das Grundstück von der verwitweten Emilie Walther. Hünlich betrieb einen florierenden Garnhandel und eine Bleiche an der Spree und beschäftigte zahlreiche Weber. Der Garnhandel entwickelte sich so umfangreich, dass ein großer Teil der Lausitzer Webereien versorgt werden konnten.
Nach dem Tode Traugott Leberecht Hünlichs übernahm der Sohn Julius Hermann Hünlich (1841 -1916) am 8. Februar 1883 das Grundstück von seinen Miterben.

Obermarkt Brand auf der Südseite 1889
Im Jahre 1889 brannte die Häuserreihe zwischen Ratskeller und dem Hünlichschen Hause ab. Hünlich kaufte das angrenzende, z.T. abgebrannte Haus, baute es um und vereinte es mit seinem Grundstück.
In den folgenden Jahren expandierte das Hünlichsche Unternehmen.
Die Firma Leberecht Hünlich wurde als Textilhandlung 1835 auf dem Niedermarkt 5 gegründet. Später kamen eine Baumwollweberei, Baumwoll- und Leinenzwirnerei sowie eine Färberei hinzu.

Hünlich-Fabrik
1898 erwarb Julius Hermann Hünlich ein großes Grundstück zwischen den städtischen Grundstücken und der neuerbauten Eisenbahnstrecke. Hier ließ er eine moderne Fabrik erbauen. 1902, 1904, 1909 und 1913 wurde das Fabrikgebäude um verschiedene Anbauten erweitert.
Fabrikbesitzer Julius Hermann Hünlich verstarb 1916. Neben seinen unternehmerischen Tätigkeiten hatte er auch viele Jahre im Stadtrat gewirkt.
1922 wurde das Unternehmen Leberecht Hünlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nach 1945 wurde der Großteil der Aktien enteignet und verstaatlicht. 1953 erfolgte die Überführung der gesamten AG in Volkseigentum und deren Umbenennung in „VEB Oberlausitzer Baumwollspinnerei Neusalza-Spremberg“. [HStA Dresden, Bestand 13347, Leberecht Hünlich AG, Neusalza-Spremberg]
Bis zu Beginn der 1990er Jahre wurde in der Fabrik produziert. 1995 wurden die Fabrikgebäude abgerissen.
Bis 1963 verblieb das Haus auf dem Obermarkt im Familieneigentum der Nachfahren von Julius Hermann Hünlich.